DIE XYLOTHEK (Film & Text)


Die Xylothek ist eine Kunstinstallation von Marion Gülzow. Als "Scheinbibliothek" ist die Xylothek ein Archiv von Zigarrenkisten, die wie Bücher verziert wurden. Sie haben einen Buchrücken, einen Deckel und manchmal auch einen Titel, wodurch sie sich wie “richtige” Bücher benehmen. Alle einzelnen Exemplare bewahren etwas auf: unterschiedlichste Dinge, die alle eine Geschichte erzählen. Die “Scheinbücher” werden gemäß ihrem Inhalt in unterschiedliche Abteilungen geordnet und erhalten so ihren Platz im Archiv. Die meisten Objekte, die als Aufbewahrtes in den Scheinbüchern existieren, sind durch sogenannte “Zeitfäden” in den Zigarrenkisten befestigt. Für Marion Gülzow habe ich diesen kleinen Film über die Xylothek gemacht. Mehr infos gibt es unter: xylothek.html.


Gilles Deleuze und Felix Guattari erklären in ihrer Einleitung “Rhizom” zu ihrem Buch “Tausend Plateaus”: “Ein Buch hat weder Objekt noch Subjekt, es ist aus den verschiedensten Materialien gemacht, aus ganz unterschiedlichen Daten und Geschwindigkeiten. Sobald man das Buch einem Subjekt zuschreibt, vernachlässigt man die Arbeit der Materialien und die Äußerlichkeit ihrer Beziehungen.” Denn “ein Buch existiert überhaupt nur durch das Außen und im Außen.”

So muss man die Einzelexemplare, aber auch das Archiv “Xylothek” als Ganzes, wohl verstehen: Nicht nur als eine biographische Arbeit (obwohl es die Abteilung "Biographisches" unter anderem gibt). Sondern eher als eine strukturierte Ordnung “des Außen”, also der Welt. Die Welt und ihre Aussonderungen des Alltags, ihre vernachlässigten kleinen Dinge, Objekte und Fetzen bilden das “Innen” dieses Archivs und das Aufbewahrte dieser Scheinbücher, die nach den Beschreibungen von Deleuze und Guattari gar nicht mehr wie Scheinbücher wirken. Das zeigt sich schon an den Zeitfäden, die diese Dinge im Innen der Kisten festhalten und sich dafür durch die Außen- und Innenseiten der Buchrücken und Deckel ziehen müssen. Das Anlegen dieses Archivs ist deshalb vielleicht auch eine Kartographie der Welt(-Reste) und die Xylothek wird zu einer begehbaren Karte des Außen.

Dabei gilt, dass die Einzelobjekte nicht im eigentlichen Sinne einzeln oder vereinzelt sind. Vielmehr ist es grade die Struktur der Xylothek, die Einzelobjekte gemeinsam als Vielheit zu konstituieren. Denn grade das „Nebeneinander“ der Bücher stellt die Möglichkeit jeglicher Verkettungen unter ihnen her. Der äußere Betrachter*Innen-Standpunkt ist in das Funktionieren der Xylothek mit eingeschlossen und führt zu immer neuen Sinn-Stiftungen, die über die Zufälligkeit der Auswahl und Reihenfolge der Lektüre verlaufen. Es handelt sich deswegen um eine Karte des Außen, der Welt, bei der alles mit allem verbunden werden kann. Und dabei sind die Geschichten, die wir dort finden können, wohl auch die Geschichten von uns und der Welt. 




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